Aussensaiter-Forum - Beitrag 175431 von the stooge

(Amps) Review: Couchpotato Amp


Startseite ] [ Forum ] [ Archiv ] [ Ganzer Thread ] [ Kein Marker ]

Beitrag von The stooge vom März 25. 2012 um 23:00:50:

Nabend allersaits,

Da ich mit 95% der von mir gezupften Töne das heimische Wohnzimmer sowie  unfreiwillg meine nur in Grenzen musikbegeisterten Nachbarn beschalle, experimentiere schon seit geraumer Zeit mit Möglichkeiten, akustisch emissionsarm zu vernünftigem Gitarrenensound zu kommen. Virtuelle Sounderzeugung, sei es im PC oder mit Modelern, kommt mir natürlich nicht über die Schwelle; mit den Charakter Pedalen von Tech21 oder den Amplugs von Vox habe ich dagegen bereits gute Erfahrungen gemacht, sie bilden für meinen Geschmack recht authentisch die legendären Verstärkermodelle meiner Jugend ab. Aber der Floh vom Mythos „Röhre“, den man nun mal im Ohr hat, gibt keine Ruhe, bis man auch einen Winz-Glimmkolbenamp fürs Wohnzimmerdudeln und homerecorden ausprobiert hat. Und so bestellte ich mir bei einem bekannten deutschen Versandhaus, nicht zuletzt die 30 Tage Money-back-Garantie im Blick, den Lil Nighttrain von der traditionsreichen Ampschmiede Vox. Vor allem, da er kaum mehr kostet als eins von den Character-Pedalen, die ihr Geld allerdings auch wert sind.

Was sieht man?

Die Erscheinungsform ist die eines zu heiß gewaschenen Nighttrain 15, die Features sind etwas reduziert: Auf den Mittenregler hat man verzichtet, ebenso auf die Umschaltmöglichkeit Pentode/Triode (wozu auch bei 2W/16Ohm bzw. 1,5W/8Ohm), dafür gibt’s einen 3,5-Stereoklinke Kopfhörer/Recording-Out. Gimmicks sind außer dem Manual und dem Netzkabel ein ungemein dickes und solide wirkendes Lautsprecherkabel und ein schwarzes Poliertuch mit Vox Logo, damit die die Chromabdeckung immer schön glänzt.

Soweit ich das bei meinem ersten Blick ins Innere rauskriegen konnte, entspricht die Schaltung weitgehend dem großen Bruder: drei konventionell hintereinander geschaltete (nicht kaskadierte, wie anderswo geschrubt) Triodenhälften von der ECC83, die vierte Triodenhälfte arbeitet als Kathodyn-Phase-Splitter, dahinter sitzt ein Doppelpoti als PPIMV (für die nicht regelmäßigen TT-Forum-Leser: post phase inverter master volume). Die ‚Endröhren’ sind statt zweier EL 84 zwei Hälften einer ECC82, die besagte 2 Watt über den Ausgangstrafo an den Lautsprecher weiterreichen. Der Tonestack ist mit dem Thick-Bright-Schalter brückbar. 

Was hört man?

Eine Menge. Die anderthalb Röhrenwatt reichen über meine 8 Ohm 15“ Box dicke, auch wohlmeinende Mitbewohner gegen mich aufzubringen. Also den Weber Mini Mass dazwischen und jetzt macht sich positiv bemerkbar, dass man nur wenig Leistung wegbraten muss, die Interaktion Speaker-Endstufe bleibt weitgehend erhalten.

Ton: Er kann von Clean bis angezerrt, Hei-Gähn ist seine Sache nicht (aber wer braucht das schon in meinem Alter?). Der Cleanton ist nicht fendrig-sparklig, sondern mittiger, ‚saftiger’, er erinnert – wen wundert’s? - an Shadows, Mersey Beat, frühe Stones. Die Verzerrung ist bluesig-sahnig, Miller Anderson von Keef  Hartley Band lässt grüßen. Zu weit aufgedreht fängt’s allerdings an zu matschen. Den Volume Regler habe ich gleich zu Anfang auf Rechtsanschlag gedreht und dort gelassen. Überhaupt verführt einen der Vox, die Verzerrung allein mit dem Volumeregler an der Gitarre zu regeln, er bildet die verschiedenen Gitarren und unterschiedliche Pickup-Konfigurationen ziemlich getreu ab. Booster nimmt er auch dankend entgegen.

Der Unterschied von Bright zu Thick ist ein deutlicher Lautstärkesprung, vielleicht könnten das die Vöxe mal fußschaltbar machen. Der Bassregler regelt wenig und steht bei mir ebenfalls auf Rechtsanschlag, der Treble-Regler dafür umso mehr, ich habe ihn auf 11 Uhr stehen, mehr klingt unangenehm spitz, auch bei P90/Hamburgergitarren. Als praktikabel hat sich der Betrieb von Strat/Tele in der Thick-Stellung erwiesen, der von Humbucker- P90-Gitarren dagegen in der Bright-Stellung.

Der Kopfhörerausgang ist nur aktiv, wenn man den Lautsprecher ausstöpselt, dann wird auch ein Lastwiderstand zugeschaltet. Die Frequenzkorrektur ist, wenn überhaupt vorhanden, dann höchstens passiv, jedenfalls hat man auf Kopfhörer, PC oder über Anlage das wohlbekannte unangenehme Kratzen, das sich auch einstellt, wenn man mit dem DI-Ausgang vom Gitarrenverstärker direkt ins Pult geht. Die Amplugs können das besser. Und auch der Umweg über die Palmer „The Junction“ DI-Box brachte zufriedenstellende Ergebnisse. Der Eindruck wurde bestätigt, als ich das Signal aus dem Kopfhörerausgang über eine  Gitarrenendstufe verstärkte: hier war die Welt wieder in Ordnung. Und damit ist zugleich die Möglichkeit angedeutet, wie man den Lil Nighttrain auf der Bühne einsetzen kann, vielleicht noch mit zwischengeschaltetem Hall o.ä.. Dazu sollte man dem Verstärker aber einen richtigen 6,3 Klinkenausgang spendieren. Motto: Vox macht müde Transen munter.

Ich hatte noch ein paar höherwertige Röhren im Haushalt rumfliegen, die ich versuchsweise gegen die Chinakolben getauscht habe; am besten machten sich zwei 7025 von Tube Town mit ihrem durchsichtigen ‚fendrigen’ Charakter, während eine anonyme ECC82 den Ton etwas „anfettete“. Wenn der Kleine die 30-Tage Money-Back-Frist bei mir überleben sollte – und dafür spricht im Augenblick Alles – werde ich ihm statt des AT von „Huizhou Wiring“ was Besseres spendieren.

Fazit: Er hat Charakter; er kann nur einen Sound, aber den kann er saugut. Wer drauf steht  und keine Lust hat, an Knöpfen zu drehen, sollte ihn antesten.

Ne schöne Jrooß, Mathias